Der Bürgermeister Paul Keck

Nach dem Einzug Maximilians in Wien wurde Paul Keck, als ein Mann seines Vertrauens, zum Bürgermeister gewählt. In vier Amtsperioden, zunächst von 1. Oktober 1490 bis 23. Dezember 1491, von 23. Juni 1492 bis 13. Dezember 1493, dann vom 10. Jänner 1497 bis 14. Dezember 1499 und schließlich nochmals von 1504 bis 1507, bekleidete er das höchste städtische Amt. Er bestimmte aber auch in den Jahren dazwischen und in den Jahren 1508 – 1509 als Ratsherr die Geschicke der Stadt mit. 1485 war er Grundbuchsverweser, 1485 bis 1488 Steuerherr.

Rachtigung der Ratsherren
Die erlich rachtigung des jungen weißen) k(unigs) mit dem grunen kunig durch reth zu Wien.

Holzschnitt aus dem Weißkunig, einem der autobiografischen Werke Kaiser Maximilians. Maximilian bezeichnet sich darin als weißer kunig. Der grune kunig ist Matthias Corvinus.

Unter Rachtigung verstand man die Regelung der Verhältnisse, die Bereinigung eines Streitfalles.

Der Weißkunig wurde von Markus Treytz-Saurwein, dem Sekretär des Kaisers nach dessen Weisung zusammen gestellt. Es scheint durchaus möglich zu sein, dass einer der dargestellten Ratsherren sein Schwiegervater Paul Keck ist.

Paul Keck stammte aus Röschitz bei Eggenburg in Niederösterreich, Bezirk Horn und ist in Wien erstmalig 1472 anlässlich der Verleihung des Wiener Bürgerrechtes urkundlich erwähnt. * (Wolfgang Lazius berichtet dagegen, “Koeckh / diß Geschlecht, als ich befinde / ist von Als einem bekandten Flecken / auff Wienn gezogen / auß welchen einer Henricus Koeck von Als zu Wienn gelebt hat / anno 1399 “ - Lazius, Wolfgang: Chronica oder Historische Beschreibung der weitberühmten Kayserlichen Hauptstatt Wienn in Oesterreich, darinnen derselben Ursprung, Adel, Obrigkeit und Geschlechter außführlich erklärt werden .... deutsche Übersetzung, Frankfurt am Main: P. Fievet 1692. Er war von Beruf Laubenherr, das heißt er verkaufte in hinter „Lauben“ (Arkadengängen) gelegenen Gewölben stückweise importiertes Gut. Dieser Beruf war den Bürgern vorbehalten. Er heiratete Barbara, die Witwe des Kürschnermeisters Lienhart Vorchtenauer, die ihren Sohn Stefan mit in die Ehe brachte. Barbara war offenbar eine geborene Gsmechl, da die Heimsteuer dieser Familie zurückgezahlt wurde. Friedrich Gsmechl wird 1475 erwähnt, als Jörg von Wolkersdorf einen Streit zwischen den Laubenherrn, die das Laubenrecht durch Erbe oder Heirat besitzen einerseits und den Laubenherren, die das Laubenrecht aus besonderer kaiserlicher Gnade besitzen, andererseits, schlichten musste. Friedrich Gsmechl war einer der Verwahrer der Schlüssel zur Lade, in denen die Urkunden über die Freiheiten der Laubenherren verwahrt waren. * (Opll, Ferdinand: Das große Wiener Stadtbuch, genannt „Eisenbuch“, Inhaltliche Erschließung, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien 1999.)

Paul Keck selbst hatte zwei Söhne Mert (Martin) und Dionys und die Töchter Barbara und Maria. 1474 scheint er als Siegler in einem Kaufvertrag über einen Baumgarten auf, der dem Heiligen-Geist-Spital übertragen wurden. * (Archiv des Heiligen-Geist-Spitals zu Wien, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, I. Abt. 10. Bd, Wien 1923/1936 Nr. 17977.) 1475 gehört er zu den Genannten im Stubenviertel. 1483 scheinen er und sein Frau Barbara als Eigentümer des Hauses Nr. 732 am Haarmarkt, das sie aber 1491 verkauften. Am 1. Oktober 1490 schenkte ihm König Maximilian I. für die ihm geleisteten treuen Dienste ein Haus unter den langen Tuchlauben vor dem Kamerhof (so hieß damals der Wildbretmarkt), genannt das Winterhaus, das vorher Ruprecht Ennser gehört hatte, sowie das darunter gelegene Gewandgewölbe. Ruprecht Ennser und seine Hausfrau Elsbeth waren wegen ihrer abtrünnigen Haltung gegenüber Kaiser Friedrich und Erzherzog Maximilian verurteilt und ihr Hab und Gut deswegen konfisziert worden. * (Archiv der Stadt Wien, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, II. Abt., 3. Bd., Wien 1904, Nr. 5384, und II. Abt., 4. Bd., Wien 1917, Nr. 6059 und 5744.   Das Haus trug die Nummer 552 neu 13 mit dem Eingang vom Wildbretmarkt. Heute befindet sich dort das Michael von Zoller’sche Stiftungshaus, Tuchlauben Nr. 20; die Statue, die den  Winter symbolisiert als einen Mann mit Pelzmütze, Mantel und Stiefeln, von dem das Haus seinen Namen hatte, kann dort heute noch in einer Nische im ersten Stock gesehen werden.

Stadtplanausschnitt mit dem Winterhaus
Die Statue des Winters
Das Winterhaus auf dem Stadtplan 1547 von Bonifaz Wolmuet
Die Statue des Winter, die auf das neue Haus übertragen wurde.

Paul Keck gehörte auch ein Haus vor dem Werdertor, das er von Thomas Een, dessen Schulden er bezahlt hatte, übernommen hatte. Nach dessen Tod wurde die Liegenschaft im Jahre 1505 urkundlich an Paul Keck übertragen. * (Archiv der Stadt Wien, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien II. Abt., 4. Bd. Wien 1917, Nr. 5811.)

Als Wappen führte Paul Keck im goldenen Schild zwei schwarze Sparren übereinander, diese auch im Flug  Eine adelige Abkunft von Paul Keck lässt sich aus der Wappenführung nicht ableiten, da auch Bürgern das Recht zur Wappenführung verliehen werden konnte. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich die zwei schwarzen Sparren auf goldenem Grund auch in zwei Vierteln des Wappens der Khöck von Mauerstetten finden, denen das Schloss Prunn im Altmühltal in der Nähe von Regensburg gehörte.

Paul Keck starb wahrscheinlich 1514. Am 13. September 1514 bezahlte Dionisius Keck für sich und seine Geschwister die am Winterhaus sichergestellte Heimsteuer seiner verstorbenen Mutter an Hanns zurück.* (Archiv der Stadt Wien, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, II. Abt., 4. Bd., Nr. 6059 siehe aber auch Nr. 6112 (Prozess) Seite 372.) Nach dem Ehegüterrecht zum Ausgang des Mittelalters war die Heimsteuer ein Geldbetrag, welcher der Frau von ihrer Familie als Beitrag zu den finanziellen Lasten der Ehe mitgegeben wird. Der überlebende Ehemann konnte das Vermögen der Frauenseite bis zu seinem Tode weiter nutzen. Damit die Familie der Frau die Heimsteuer nach dem Tod des Ehemannes wieder ausgezahlt bekam, blieben die Pfandgüterverschreibungen, die die Mannesseite dafür ausgestellt hatte, solange im Besitz der Frauenseite, bis der Betrag von der Mannesseite erstattet wurde. Aus der Rückzahlung der Heimsteuer muss geschlossen werden, dass Paul Keck vorher verstorben war.

Das Verhältnis Kaiser Maximilians zur Stadt Wien

Die Auswirkungen der politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen des Kaisers für das weitere Gedeihen der Stadt Wien waren verschiedener Art: politisch erlangte die Stadt durch den von ihm initiierten und 1526 eingetretenen Erbfall der böhmisch-ungarischen Länder eine Stellung innerhalb des europäischen Städtesystems, durch die sie zu jenen glanzvollen Epochen geführt wurde, deren Ergebnisse - zumindest architektonisch - noch heute im Stadtbild erkennbar sind; wirtschaftlich und administrativ hatten die Handlungen Maximilians hingegen überwiegend negative Folgen. Die Ursachen liegen auf der Hand. Maximilian hat in Wien nur selten residiert. Seine Blicke richteten sich auf die westlichen Erbländer, und seine Finanzen wurden durch die großen süddeutschen Reichsstädte gesichert, mit denen Wien in keinen Wettbewerb treten konnte.
 
Die erste Abfuhr erlitt Bürgermeister Friedrich Geldreich im Jahre 1494, als er dem Herrscher in Form einer Bittschrift eine "Gegenrechnung" für die nach dem Tod des Ungarnkönigs erwiesene loyale Haltung präsentieren wollte, in der es vor allem um Steuererleichterungen und wirtschaftliche Begünstigungen ging. Maximilian sah in der Erfüllung dieser Forderungen wohl nur die Gefahr, die städtische Autonomie zu stärken, und lehnte deshalb glattweg ab. jede Aufwertung ständischer oder städtischer Freiheiten musste ihm bei der Verfolgung seiner hochfliegenden politischen Pläne als hinderlich erscheinen. Wollte er, gestützt auf die Gedankenwelt des Humanismus, die Ausführung seiner Befehle, die von keiner Seite eingeschränkt werden sollten, in die Hände einer im römischen Recht geschulten Beamtenschaft legen, so musste er die unmittelbar nach der Rückgewinnung Wiens 1490 von ihm selbst vorgenommene Privilegienbestätigung nunmehr ihrem Inhalt nach als unzeitgemäß empfinden. Die Bedeutung der städtischen Ämter nahm in dieser Zeit immer fühlbarer ab, Maximilian entmachtete die Stadt mehr denn je; lediglich 1504 kam es unter Bürgermeister Paul Keck zur Schaffung des Amtes eines Marktrichters.

Kaiser Maximilian I. 1519
Albrecht Dürer:
Bildnis Kaiser Maximilians I.

Das Bild muss nach 1519 fertiggestellt worden sein, da im Text über dem Kopf der 12. Jänner 1519 als Todesdatum des Kaisers vermerkt ist.


Kunsthistorisches Museum Wien
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Am Ende des Mittelalters sah die Verfassung der Stadt Wien im wesentlichen folgende vor: Die politische Willenbildung der Bürgergemeinde und die Bestellung der Organe zur Führung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit vollzogen sich in mehreren Gremien. An oberster Stelle stand ein Gremium, das bis 1408 innerer Rat, dann Rat schlechthin hieß.  Er bestand aus 20 stimmberechtigten Mitgliedern: dem Bürgermeister, dem Stadtrichter und 18 Ratsherren. Sie wurden im allgemeinen jedes Jahr gewählt, und zwar von den Genannten, meist aus deren Kreis. Das Wahlergebnis bedurfte der Bestätigung durch den Landesfürsten, der Stadtrichter überdies der formellen Belehnung mit dem Blutbann, das heißt den Recht, Todesurteile und Leibesstrafen zu verhängen. Der Stadtschreiber war der vom Rat angestellte Leiter der Stadtkanzlei, der das Protokoll der Ratssitzungen führte und die Ratsbeschlüsse auszufertigen hatte.

Den Bürgermeister hob seine Funktion über die bloße Mitgliedschaft beim Rat hinaus. Er war Oberhaupt und Wortführer des Rates und der Bürgergemeinde und oberster Vorgesetzter aller städtischen Bediensteten; ihm oblag die Einberufung und Leitung der Ratssitzungen, er war für die Durchführung der Ratsbeschlüsse verantwortlich. Für seine Amtsführung erhielt er aus dem städtischen Budget eine Aufwandsentschädigung und Ehrengeschenke.

Der Stadtschreiber wurde vom Rat auf unbestimmte Zeit angestellt und erhielt ein reguläres Gehalt sowie eine Weihnachtsremuneration aus dem städtischen Budget. Als Vorsteher der Stadtkanzlei war er für die gesamte städtische Korrespondenz, für die Ausfertigung der Beschlüsse und Verordnungen des Rates, für die Archivierung von Dokumenten und für die Führung des großen und kleinen Stadtbuches verantwortlich. Außerdem hatte er bei den Ratssitzungen das Protokoll zu führen, stimmberechtigt aber war er nicht.

Die Genannten waren rund 200 besonders angesehene und qualifizierte Bürgern, die in ihrer Gesamtheit jährlich die 20 stimmberechtigten Ratsmitglieder wählten. Jeweils zwölf Genannte wurden vom Stadtrichter als Beisitzer zu Gerichtsverhandlungen berufen; wichtigere Rechtsgeschäfte der Bürger bedurften der Zeugenschaft von zwei bis drei Genannten. Zum Genannten wurde ein Bürger nicht auf ein Jahr gewählt, sondern durch Ratsbeschluss auf Lebenszeit bestellt. Wurde ein Genannter in den Rat gewählt, blieb er trotzdem in der Genanntenliste verzeichnet; seine Funktion lebte wieder auf, sobald er aus dem Rat geschieden war.
 
Eine Reihe von Ressorts wurde paritätisch von Ratsherren und Genannten versehen. In den Händen der zwei Stadtkämmerer (ein Ratsherr, ein Genannter) war das gesamte städtische Finanzwesen konzentriert, vier Steuerherren (zwei Ratsherren, zwei Genannte) hielten die steuerpflichtigen Bürger in Evidenz, setzten an Hand der Bekenntnisse die Einkommens- und Liegenschaftssteuern fest, ließen die Steuern einheben und sorgten für die Verbuchung und Überweisung an das Kammeramt.

Die äußerst bedenklich gewordene Situation des Wiener Handels am Ende des 15. Jahrhunderts ließ das seinerzeitige Stapelrecht zu einem Hauptzankapfel werden. Die politische Entwicklung, insbesondere die Einverleibung Mährens durch Matthias Corvinus, hatte Fakten gesetzt, an denen Wien nicht mehr rütteln konnte. Es war nicht zu verkennen, dass es den oberdeutschen Kaufleuten damit endgültig gelingen würde, eine Handelsstraße nach dem Südosten Europas über Brünn zu eröffnen, die an Wien vorbeiging, sodass alle in dieser Stadt vereinigten Monopole durch die Praxis hinfällig wurden. So kam es zur Ordnung des Jahres 1506 für den Verkauf der Waren ausländischer Kaufleute in Wien, die einen Sieg der „Gäste“ bedeutete. Noch gaben sich die Wiener mit dem Bürgermeister Paul Keck an der Spitze nicht geschlagen. Es gelang der Wiener Bürgerschaft ein letztes Mal sich Gehör zu verschaffen. Am 30. Juli 1512 stellte Maximilian eine Urkunde aus, welche das Wiener Stapelrecht nochmals im vollen Umfang bestätigte.

Der Erfolg war aber nur vorübergehend. Gegen den Druck der oberdeutschen Kaufherren, von denen er immer stärker finanziell abhängig wurde, konnte sich der Kaiser schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil diese auch unmissverständlich durchblicken ließen, es bestehe eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen der Intensität des Handelsverkehrs und den landesfürstlichen Einkünften aus Mauten und Zöllen, weshalb die Interessen des Handeln und des Kaisers in einem absoluten Zusammenhang stünden. So ging der Streit weiter bis schließlich 1515 eine der Wiener Wirtschaft abträgliche Entscheidung fiel: Der Kaiser gab den Großhandel endgültig frei, sodass den Wienern nur der Kleinhandel verblieb. In weiterer Folge gab der Kaiser der Stadt Wien 1517 ein neues Stadtrecht, das die Weichen von der ständisch beschränkten Monarchie zum schrankenlosen Absolutismus stellte.  * (Felix Czeike, Wien und seiner Bürgermeister – Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte, Wien – München, 1973 S 124.)

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