Die Chronik der Familie Keck

Gleichzeitig mit der Wappendarstellung überließ mir Fritz Landauf die Ablichtung einer Seite, von der ich annahm, dass sie aus einem Buch des 19. Jahrhunderts stamme. Auf der linken Umrandung des Blattes schwingt ein martialisch wirkender Landsknecht eine Fahne, daneben steht als Überschrift: „Chronik der Familie Keck“. Im Text ist dargestellt, dass die Keck einem alten Geschlecht aus Bayern entstammten und dort zum Uradel gezählt werden. Sie hätten auch das Schloss Prunn im Altmühltal bei Kehlheim besessen. Herzog Albrecht V. von Bayern habe Karl Keck 1551 das Bergwerk und die Hofmark Bodenmais geschenkt und Kaiser Ferdinand habe ihm 1560 seine Adelsfreiheit bestätigt.

Das Geschlecht sei frühzeitig auch nach Böhmen und Mähren gekommen und Kaiser Ferdinand I. habe dem Hans Keck nebst seinem Sohn Michael am 2. November 1561 einen Wappenbrief ausgestellt, jedoch bereits am 12. September 1580 habe Kaiser Rudolf II. dem Michael Keck seinen uralten Adel und das Prädikat „von Schwarzbach“ bestätigt. Nach der Erwähnung von Jakob Keck, Peter Keck und Gottfried Keck, die alle in Adelsstand erhoben seien oder deren Adelsstand bestätigt worden sei, wird festgestellt, dass eine sich in Mähren sesshaft gemachte Linie dort die Stammreihe Franz Keck geboren um 1760, Franz Keck geboren 16. September 1795 in Eisgrub und Josef Keck geboren 13. März 1832 in Eisgrub verfolge.

Zu der Ablichtung gehörte eine Seite mit Literaturangaben, die als Quellen für die Darstellung angeführt waren: unter anderen Wappenbücher von Philipp Jakob Spener, Megerle von Mühlfeld, Leonhard Dorst, Leopold Freiherr von Ledebur, von Hellbach, Otto Titan von Hefner und J.Siebmachers’s großes Wappenbuch.

Chronik des Geschlechtes Keck
Genealogie bürgerlicher Geschlechter Österreich-Ungarns
Die offenbar von Hermann Hermann erstellte Chronik
des Geschlechtes Keck
Hermann Hermann hat auch ein Buch mit mehr
als fragwürdigen Familiengeschichten herausgegeben.

Fritz Landauf selbst hatte auch Einsicht in die Adelsakten im Österreichischen Staatsarchiv genommen und in den Pfarrmatriken von Eisgrub die beiden genannten Franz Keck bestätigt gefunden. Diesen folgten in der Reihe drei Anton Keck, jeweils geboren am 25. Februar 1830, am 4. Juni 1857, Realitätenbesitzer und Gutspächter zu Eisgrub, und am 14. Dezember 1882.

Die Datumsangaben bezüglich der Adelsbriefe für Hanns und Michael Keck stimmten mit den Originalakten, die auch ich selbst im Österreichischen Staatsarchiv eingesehen hatte, überein. Mit dem vorliegenden Dokument glaubte ich, die Verbindung zu den adeligen Keck herstellen zu können. Ich brauchte einerseits bloß das Buch ausfindig zu machen, aus dem diese Seite entnommen war und andererseits die Verbindung meines Zweiges der Familie Keck mit jenem Franz Keck, der um 1760 geboren worden war, herstellen zu müssen. Das letztere ist mir gelungen. Doch gerade die Unterlagen, welche die Verwandtschaft zu jenen Franz Keck belegen, haben die Illusion von adeligen Herkunft der in Eisgrub ansässigen Familie endgültig zerstört.

Über Reinhard Keck aus Eisgrub gelangte ich an Unterlagen, die der verstorbene Karl Abzieher in offenbar jahrzehntelanger Kleinarbeit zusammen getragen hatte. Dieser berichtete, dass sich Anton Keck aus Eisgrub (geboren 4. Juni 1857) ebenfalls eingehend mit der Geschichte der Familie Keck beschäftigt hatte. Anton Keck habe das Wappen anfertigen lassen, das dann jahrelang im Flur seines Hauses gehangen sei. Zur Hochzeit seiner Tochter Rosa Keck mit dem Arzt Dr. Anton Beigl aus Wisternitz im Jahre 1909 habe er ein Speiseservice mit dem eingebrannten Keckwappen anfertigen lassen.

Damit waren einmal die Ungereimtheiten des Wappens erklärt. Wenngleich durch die Blasonierung die bildliche Darstellung eindeutig festgelegt ist, so spiegelt das Wappen doch die Kunstrichtung zur Zeit der Entstehung des Bildes wieder. Damit lässt sich die Darstellung eines Wappens einer bestimmten Epoche zuordnen. Die Ausgestaltung der Helmdecken, der Löwen und des Schildes des Keckwappens weisen auf die Zeit des Historismus hin, sodass eine Entstehung um die Wende von 19. zum 20. Jahrhundert angenommen werden muss, was letztlich auch durch die Darlegungen von Karl Abzieher bestätigt wurde.

Der Bericht von Karl Abzieher veranlasste mich aber auch, die kunstvoll gestaltete Seite mit der Überschrift: „Chronik des Geschlechtes Keck“ kritisch zu betrachten. Bei genaueren Hinsehen ist zu erkennen, dass die Buchstaben zwar sorgfältig gestaltet, aber für ein Druckwerk zu unregelmäßig sind, sodass der Text offensichtlich handgeschrieben war. Die kritische Analyse des Inhaltes des Textes ergibt, dass dieser offensichtlich aus verschiedenen Quellen zusammengestellt worden ist, wobei das einzige verbindende Element der Name Keck ist.

Die Ausführungen am Anfang über die Keck von Mauerstetten in Bayern finden sich nahezu textgleich in den Siebmacher’schen Wappenbüchern. Welche Verbindung zwischen diesen und den in Mähren ansässigen Keck von Schwarzbach bestehen soll, ist nicht erkennbar. Jakob Keck und der Hauptmann Gottfried Keck vom Warasdiner Infanterieregiment sind offensichtlich nur dazu genommen worden, weil sie auch im Index der Adelsakten des Österreichischen Staatsarchivs aufscheinen. Die Passage „Eine sich in Mähren sesshaft gemachte und noch zur Zeit dortselbst blühende Linie verfolgt folgende Stammreihe:...“ dürfte aber die Schlüsselstelle zur Bewertung des Textes sein. Der dort genannte Franz Keck, geboren um 1760, ist ein durch die Geburtsmatrik der Pfarre Eisgrub dokumentierter Vorfahre jenes Anton Keck, der auch das Wappen anfertigen ließ und in seinem Hausflur aufgehängt hat.

Meine Schlussfolgerung aus dieser „Chronik des Geschlechtes Keck“, dass auch sie für Anton Keck angefertigt wurde und offensichtlich nur dem Zweck diente, Anton Keck in Beziehung zu den adeligen Keck zu setzen, fand eine Bestätigung durch die Darlegungen in dem Buch „Der Wappenschwindel, seine Werkstätten und ihre Inhaber“. Dieses beschreibt sehr anschaulich viele Fälscher und die charakteristischen Merkmals ihrer Produkte. Die dargestellten Merkmale weisen auf den Wappenmaler Hermann Hermann hin, dessen Tätigkeit zwischen 1898 und 1905 mit 696 Wappenentwürfen nachweisbar ist. Wegen Betruges wurde er vom Landesgericht Wien am 24.Oktober 1905 zu fünf Monaten Kerker verurteilt.

Alle bisher bekannt gewordenen Machwerke sind auf einem Vordruckbogen mit der Überschrift „Chronik des Geschlechtes ...“ und einer Randleiste mit dem Bild eines Landsknechts oder Jägers, der auf allerlei Rankwerk oder Utensilien (Hüfthorn, Bogen, Köcher, Spieß, Kranz) steht, handschriftlich ausgefüllt. Sie enthalten eine vorgebliche Genealogie und eine Wappenbeschreibung jedoch ohne Wappenzeichnung. * (Arndt, Jürgen: Der Wappenschwindel seine Werkstätten und Inhaber – Ein Blick in die heraldische Subkultur herausgegeben vom HEROLD, Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener & Co. 1997.) Alle diese Merkmale treffen auf die „Chronik des Geschlechtes Keck“ zu, so dass sie wohl Hermann Hermann zuzuordnen ist. Auch der zeitliche Bezug stimmt. Die Tochter von Anton Keck hatte, wie oben ausgeführt, ihre Hochzeit 1909 also vier Jahre nach der Verurteilung des Wappenfälschers. Von Hermann Hermann stammt auch das Buch “Genealogie und Heraldik bürgerlicher Familien Österreich-Ungarns“. Die Darlegungen zu den einzelnen Familien sind ähnlich aufgebaut wie das beschriebene Blatt: An eine bildliche Wappendarstellung mit Blasonierung schließt zunächst ein Bezug auf eine adelige Familie an, dann folgt übergangslos die Ahnenreihe einer noch lebenden bürgerlichen Familie.  * (Hermann, Hermann: Genealogie und Heraldik bürgerlicher Familien Österreich-Ungarns , 2 Bände, Wien 1899 im Eigenverlag.)

Hermann Hermann stand mit dem in Salzburg tätigem Fälscher Raimund Günter in Verbindung und verwendete auch dessen Vordrucke für die den Wappenrollen  beigegebene „Chronik“. Raimund Günther betrieb sein Geschäft äußerst professionell. Er inserierte in vielen Zeitungen der Landeshauptstädte und beschäftigte eine Reihe von Agenten und Akquisiteuren. Diese reisten ausgerüstet mit Musterbuch, Prospekten und Abdrucken von Anerkennungsschreiben in ihrem Rayon herum. Solche Agenten waren auch in Böhmen, Mähren und im Küstenland tätig. Der Bruttoeingang pro Stück betrug 15 Kronen, Günthers Gesamtverdienst 1904 6.450 Kronen. Auch gegen Günther wurde Anklage wegen Betrugs erhoben. Die größere Anzahl seiner Kunden erklärte sich aber nicht als geschädigt und wünschte die Rückgabe ihrer Wappen als Zimmerschmuck. Aus Grund dieser Aussagen wurde der Angeklagte schließlich freigesprochen.  * (Jäger-Sunstenau, Hans: Wappenbüros in Österreich. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Nr. 40/1987.)

Die Feststellung von Fritz Keck aus dem Jahre 1941, dass sich ein Verwandtschafts- oder Abstammungsverhältnis seiner Familie zu den adeligen Keck nicht habe feststellen lassen, ist also richtig, mehr noch, es gibt keines; es wurde nur erfunden. Die Familie wird sich also von den hübschen in Kupfer getriebenen Wappendarstellungen verabschieden müssen.

Da nun einmal das Thema von den adeligen Kecks aufgegriffen wurde, seien die Ergebnisse meiner Forschungen dazu dargestellt. Gleiches gilt übrigens auch für die Familie des Bürgermeisters Keck. Das verbindende Element ist der Name Keck, der im süddeutschen – österreichischen Raum schon frühzeitig mehrfach dokumentiert ist.
 
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